2.862m | Schladminger Tauern, Steiermark
Der „Herrscher“ der Niederen Tauern
Es gibt Berge, die eine besondere Aura umgibt – die man sieht und weiß, dass ein Erklimmen nicht nur ein „normaler Gipfelsieg“ sein wird, sondern etwas ganz Besonderes ist. Seit jeher hängt ein Ölgemälde des Hochgollings bei uns zuhause, somit hatte ich ihn für mehr als 30 Jahre direkt vor der Nase. Nach unserem Gipfelsieg auf der Hochgrabe musste ich mir das nächste „besondere“ Ziel aussuchen. Dass die Wahl auf den höchsten Gipfel der Niederen Tauern fiel, war wenig überraschend. Mitte September war es dann endlich soweit!
Er ist mit 2.862 Metern der zweithöchste Berg der Steiermark, nur der Dachstein überragt ihn mit 2.995 Metern. Beide Gipfel teilt sich die Steiermark aber mit anderen Bundesländern. Der höchste Gipfel, der allein auf steirischem Boden steht, ist die Hochwildstelle (2.747m) – ein Ziel, welches meine beiden Begleiter auf den Golling vor wenigen Wochen erreicht haben. Beide standen auch schon am Dachstein, somit fehlte ihnen nur mehr der Hochgolling, für den Gipfel-Hattrick. Schon vor vielen Monaten haben wir die Tour „fixiert“, im März buchten wir das Zimmer für die Übernachtung auf der Gollinghütte. Die Tage und Wochen vor unserem Aufbruch checkten wir fast stündlich die Wettervorhersagen und mussten unsere Tour dann etwas reduzieren. Eigentlich wollten wir am ersten Tag zur Hütte wandern, am Tag darauf auf den Golling, zurück zur Hütte, noch eine Nacht dortbleiben und am Folgetag über den Greifenberg und den Klafferkessel zurück zu den Riesachfällen wandern. Am Ende blieb es beim Gipfelsturm auf den Hochgolling, die „Königstour“ musste witterungsbedingt leider aufgeschoben werden.
Es ist Sonntag, der 17. September: um kurz nach Mittag starte ich ins Ennstal, wo ich Xenia und Martin abhole und wir uns gemeinsam auf den Weg in Richtung Schladming und dann weiter ins Untertal, zu den Riesachfällen machen. Beim großen Parkplatz werden pro Tag 11€ an Gebühr eingehoben, mit der SommerCard der Region Schladming-Dachstein kann man sich ein paar Euro sparen. Kurz vor 15 Uhr starten wir unsere 2-Tagestour, die uns am ersten Tag in entspanntem Tempo „nur“ bis zur Gollinghütte bringt. Wir folgen der Forststraße und der stets guten Beschilderung und wandern zu Beginn recht flach, im weiteren Verlauf mäßig ansteigend taleinwärts. Nach zirka 40 Minuten zeigt er sich dann das erste Mal, der Hochgolling. Schon aus der Ferne ist seine Präsenz zu spüren, wir nutzen die Gelegenheit und machen ein paar Aufnahmen des im Jahre 1791 erstbestiegenen Bergs. Am Ende der Forststraße angekommen beginnt auch die Materialseilbahn für die Versorgung der Gollinghütte. Von hier sind es keine 200 Höhenmeter bis zur Hütte, die wir schon von der Ferne aus erblickt haben. Sie steht malerisch, etwas vorgelagert, vor dem Eingang in den Gollingwinkel. Begleitet werden wir auf den letzten Metern vom Rauschen des Steinriesenbachs, der sich über einige Felsen in die Tiefe stürzt.
Gut 1,5 Stunden sind vergangen, als wir an der Gollinghütte, die vor 119 Jahren erbaut wurde, eintreffen. Natürlich stoßen wir gleich auf unsere erste Etappe an, beziehen etwas später unser Dreibettzimmer und genießen um 18 Uhr ein wirklich vorzügliches Wildragout mit Semmelknödel, welches wirklich jeden Cent wert ist. Recht früh verziehen wir uns in unser Zimmer, gegen halb 10 entschwinden wir alle drei ins Land der Träume und sammeln Kraft für den darauffolgenden Tag.
Dieser beginnt um 6 Uhr morgens, um halb 7 gibt es Frühstück, um 7:15 schultern wir unsere Rucksäcke (meiner wiegt satte 14 Kilogramm…) und wandern in den Gollingwinkel – einen traumhaften und unvergleichlichen Talschluss, der als das größte Amphitheater der Welt gilt. Ein surrealer Platz, der sich hier mitten in den Schladminger Tauern befindet. Einige Pferde säumen den Weg in den Talschluss, von welchem es dann durch die „Schindergasse“ in die Höhe geht. Nun warten 600 Höhenmeter auf uns, die wir hinter uns bringen müssen. Weitestgehend steigen wir durch sehr gerölliges Gelände, welches sich kurz vor der Gollingscharte in Blockwerk „verwandelt“. Die Temperaturen halten sich Gott sei Dank in Grenzen, wir sind dennoch nicht allzu schnell unterwegs, wollen die umliegende Bergwelt in vollen Zügen genießen. Zirka 2h brauchen wir bis zur Gollingscharte, von welcher wir einen schönen Blick zur Landawirsee Hütte haben. Unzählige Gipfel der Schladminger und Radstädter Tauern präsentieren sich uns – Grund genug, um eine kurze Pause einzulegen und uns auf die weiteren gut 500 Höhenmeter vorzubereiten.
2,5 Stunden sollen es bis zum Gipfel sein, für diesen Abschnitt ist Trittsicherheit erforderlich – steht zumindest auf dem Wegweiser und wir können das auch vollkommen unterstreichen. In der Scharte treffen wir ein Pärchen, welches nach nicht mal einem Drittel wieder umkehren sollte, weil das Gelände zu viel forderte. Aber der Reihe nach: wir halten uns an den Weg 778 und queren zu Beginn mäßig steil die Nordwest-Flanke des Hochgollings. Später wird es felsiger und steiler, bei vielen Passagen müssen wir unsere Hände zur Hilfe nehmen – exponiert ist es hier aber nicht. Man befindet sich eigentlich immer „im“ Fels und sieht keinem Abgrund entgegen. Gut 300 Höhenmeter haben wir bereits hinter uns, als wir zum Wegweiser zum Nordwestgrat kommen. Für mich war aber schon vor der Tour klar, dass ich die Variante über den Normalweg (Historischen Weg) gehen werde, denn der Nordwestgrat ist stellenweise sehr ausgesetzt und erfordert Klettergeschick im zweiten Schwierigkeitsgrad. Meine beiden Begleiter sind Kletter-erfahren, der Grat hätte sie extrem gereizt, aber sie blieben bei mir – sozusagen auch als mentale Stütze, sollte ich an Stellen kommen, wo es hilft, wenn jemand einfach nur da ist. Ich weiß das zu schätzen und bin sehr dankbar, dass wir im Dreierverband den Normalweg in Angriff nehmen. Wir haben auch das Wetter im Auge: als wir am Morgen aufgebrochen sind, war es wolkenlos – nun hat der Wind einige Wolken über die Region des Gollings geschoben, wir sollten aber trocken bleiben. Die letzten Höhenmeter geht es über steile Felsblöcke, jede Menge Querungen, wovon eine durchaus luftig ist und eine mit Stahlklammern entschärfte, 3m hohe „Felswand“, die man raufklettern muss. Kurz darauf erreichen wir dann auch den Gipfelgrat und klettern über die letzten sich uns in den Weg stellenden Felsen.
Und dann ist es geschafft: 12.813 Tage sind vergangen, seit mein Papa, zusammen mit meinem Opa, am 19. August 1988 auf dem Dach der Niederen Tauern stand. So wie auf der Hochgrabe ist es auch dieses Mal ein durchaus emotionaler Moment für mich und ich bin froh, dass ich diesen mit meinen beiden Begleitern teilen kann. Auf den Spuren der beiden vorangegangenen Generationen zu wandeln ist immer etwas ganz Besonderes. So ist es auch recht egal, dass es nunmehr ziemlich wolkig geworden ist – Gott sei Dank nehmen die Wolken aber die Sicht auf die umliegenden Berge nicht weg. Ganz nah ist das markante Kasereck im Süden, die Hochwildstelle und eine Unmenge an reizvollen Gipfelzielen, die sich vor allem im Westen präsentieren. Ein eisiger Wind peitscht über den 2.862 Meter hohen Beherrscher der Schladminger Tauern, wir suchen uns also ein etwas windgeschützteres Plätzchen, wo wir eine verdiente Jausenpause einlegen. Es ist mittlerweile kurz vor 12 Uhr mittags, als wir uns beim im letzten Jahr neu aufgestellten Kreuz für ein Gipfelfoto aufstellen.
Dann geht es über den Aufstiegsweg zurück nach unten – insgesamt satte 1.800 Höhenmeter. Auch im Abstieg ist in diesem Terrain Vorsicht geboten. Jeder Schritt sollte bedacht gesetzt werden, auch weil es an vielen Stellen jede Menge an losem Gestein gibt. Mit Ruhe und Konzentration steigen wir die 500 Höhenmeter bis in die Scharte ab, wo ich zum ersten Mal bei dieser Tour auch meine Drohne auspacke – im Gipfelbereich war es mir aufgrund des starken Winds zu riskant. Somit gibt es ein paar Flugminuten in der Scharte – die Aufnahmen sind aber nicht weniger eindrucksvoll. Gemächlich steigen wir danach durch die Schindergasse ab in den Gollingwinkel, in welchem wir noch ein paar Minuten rasten und die Schönheit dieses Ortes aufsaugen. Von hier sind es nur mehr wenige Gehminuten zur Gollinghütte, wo wir um kurz vor 15 Uhr eintreffen und auf unseren Gipfelsieg anstoßen. Wir gönnen uns auch noch Kaßpressknödelsuppe, Wildwürstl und Kaiserschmarren ehe wir das letzte Teilstück unserer 2-Tagestour in Angriff nehmen.
Der Wetterbericht „versprach“ ab 16 Uhr Niederschlag und fast auf die Sekunde genau fängt es auch um 4 Uhr leicht zu regnen an. Kurz bevor wir am Parkplatz ankommen, wird der Regen auch etwas stärker, unsere Stimmung kann er aber definitiv nicht trüben. Zwar etwas müde, aber überglücklich beenden wir um zirka 17 Uhr diese wirklich reizvolle Bergtour auf den höchsten Berg der Niederen Tauern.
Rückblickend kann man sagen, dass es wohl eine meiner schönsten Bergtouren war, für welche ich mich aber auch akribisch vorbereitet habe. Viele, die meinen Blog regelmäßig lesen/verfolgen, wissen, dass ich mir exponiertes/schwieriges Gelände nur in bestimmten Dosen und ganz bewusst zumute. Ich habe unzählige Berichte gelesen, hunderte Bilder angesehen, ehe ich mich für den Aufstieg entschied. Das rate ich auch jedem anderen: das vorhin erwähnte Pärchen war konditionell stark, aber das Terrain war dann zu viel. Ein gesundes Auseinandersetzten vor dem Versuch ist also immer ratsam. Die schwarz markierte Tour auf den Hochgolling empfehle ich jedem, der mit felsigem Terrain und teils luftigen Stellen kein Problem hat. Erfahrung sollte man schon mitbringen, sonst wird es auch schnell gefährlich. Für mich persönlich war es schön zu sehen, dass ich mein Limit noch nicht erreicht habe und ich mir somit auch noch weitere Ziele auf meine Wunschliste setzen kann – auch welche, die ich vor Jahren definitiv noch ausgeschlossen hätte – Touren, auf welchen ich vielleicht wieder auf den Spuren meinen Papas und Opas wandern werde.
Infobox | |
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Start - Ziel: | Parkplatz Riesachfälle |
Höhenmeter: | 1780 |
Distanz (km): | 20 |
Gehzeit (exkl. Pausen): | 7-10h |
GPX-File Download: | Link |
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