Warscheneck via Südost-Grat

2.388m | Totes Gebirge, Oberösterreich

Grandiose Kraxeltour auf den „scharfen“ Berg!


Im oberösterreichischen Teil des Toten Gebirges steht es – das Warscheneck. Hauptgipfel der gleichnamigen Gruppe, der auch oft Warscheneckstock genannt wird. Mit 2.388 Metern wird er von insgesamt vier Gipfeln des Toten Gebirges überragt, dennoch ist der stark verkarstete Berg, der vorwiegend aus Dachsteinkalk besteht, einer der schönsten und beliebtesten Gipfel in dieser Region. Mehrere Routen führen auf den markanten Felsklotz, keiner spannender als der Aufstieg über den Südost-Grat. Und genau das war Ende Oktober unser Weg.

Wir spulen einige Wochen zurück: am 1. September sitzen Xenia und ich am Großen Pyhrgas und haben viele reizvolle Gipfel des Toten Gebirges direkt vor der Nase. „Weißt, das Warscheneck wär schon mal geil, aber ich weiß nicht, ob ich mir das über den Südostgrat zutrauen kann.“ Genau das waren meine Worte. Das gute an Freunden und langjährigen Bergkollegen ist, sie können oftmals einen etwas anderen Blick auf Dinge werfen. Xenia, die selbst schon über den Südost-Grat aufstieg in gewohnt motivierter Manier: „Ja dann machen wir das. Das ist für dich kein Problem.“ 

Gut, dann ist es nun also wirklich soweit und ich werde mein Limit beim Aufstieg auf den knapp 2.400 Meter hohen Gipfel ausloten. Ich bin gespannt, motiviert und voller Vorfreude. Wir haben den 27. Oktober, die Standseilbahn auf die Wurzeralm fährt noch bis zum ersten Novemberwochenende – für uns ist klar, dass wir somit die Höhenmeter bis zur Bergstation sparen wollen. Um 8:30 fährt die erste Gondel, welche uns in sieben Minuten auf eine Höhe von 1.430 Meter bringt. Dafür legt man pro Person allerdings auch 22€ hin – egal, wenn ich mir die Kräfte dadurch besser einteilen kann, dann überlege ich nicht lange. Zirka 60 Wanderer verlassen zur gleichen Zeit die Bergstation und machen sich auf den Weg zu den umliegenden Gipfeln – eine Vielzahl davon nimmt, so wie wir, das Warscheneck ins Visier. 

Dem Wurzeralm Naturerlebnisweg folgen wir in Richtung der Talstation des Frauenkarlifts. Hier kann man mit einem Doppelsessellift zwischen Mitte Juni und Ende September bis auf eine Höhe von zirka 1.870 Meter Seehöhe fahren und erspart sich somit ganze 400 Höhenmeter. Doch heute ist er bereits außer Betrieb, somit müssen wir, teils über die Piste, weitestgehend aber über eine Forststraße bis kurz vor die Bergstation aufsteigen. Dann verändert sich der Untergrund und wird zunehmend gerölliger. Begleitet von traumhaften Ausblicken in die östlich gelegenen Gipfel erreichen wir um genau zehn Uhr vormittags die Abzweigung in Richtung Südost-Grat (auf einem Stein mit Südgrat aufgepinselt). Einen kräftigen Schluck aus der Trinkflasche haben wir uns nun verdient – für Ende Oktober ist es gefühlt viel zu warm. Zwei Stunden sollen es von hier, über den Peter Reinberg Steig, bis auf den Gipfel des Warschenecks sein.

Das zuerst recht schrofige Gelände weicht recht schnell einem stets perfekt markierten und gut sichtbaren Wanderweg, der sich über unzählige Geländekuppen und kleine Felsstufen in die Höhe schlängelt. Im Süden ist das markante Eiserne Bergl sehr präsent, auch Monsieur Grimming grüßt aus der Ferne herüber. In etwa eine Stunde ist vergangen, seit wir auf den Peter Reinberg Steig abgebogen sind, nun stehen wir am ersten „Gipfel“ unserer Tour, dem 2.110 Meter hohen Widerlechnerstein. Fast pararell zu unserem Aufstiegsweg zieht der markante Ramesch mit seinem spitzen Grat durch die Landschaft – ein wahrlich imposanter Felsklotz. Doch wir wollen weiter, in den Fels, welcher uns geradezu magisch anzieht. Von nun an beginnt der spaßige Teil und ich bin durchaus etwas nervös. Frontal auf den weiteren Weg geblickt denke ich mir schon: „Hm, und wo soll ich da jetzt rauf?“ Aber das kennt man schon von unzähligen anderen Touren – schlussendlich ist es, wenn man mal „drin“ ist, nie so schlimm als erwartet. Erste Felsstufen werden überklettert, ab und an sind auch Tritthilfen angebracht und entschärfen somit das Gelände. Steilstufe für Steilstufe, Felsband für Felsband – es ist wirklich ein Genuss den Grat an diesem perfekten Herbsttag zu „erkraxeln“. Stellenweise hilft auch ein Stahlseil, diese Passagen sind aber relativ kurz. Der Gebrauch eines Klettersteigsets ist aber durchaus sinnvoll, wenn es einem bei der Bewältigung der Aufgaben hilft. Zehn Minuten sind es noch bis Mittag und wir stehen vor der Schlüsselstelle – zumindest war sie das für mich. Eine, in etwa fünf Meter hohe, Steilstufe musste abgeklettert werden. Doch auch das bringen wir recht zügig hinter uns – nun ists nicht mehr weit. Ein paar geröllige Kurven, ein paar Felsblöcke stehen noch zwischen uns und dem rot-weiß-roten Gipfelkreuz, welches wir schlussendlich um kurz nach zwölf Uhr mittags erreichen.

Geschafft – ich bin ein bisschen stolz! Das mag für viele womöglich etwas lächerlich klingen, aber ich bin eher der vorsichtige Wanderer, der sich nur Stück für Stück an sein Limit herantastet und sich nie zu viel zumuten will. Und ich kann sagen: der Aufstieg auf das Warscheneck über den Südost-Grat hat mich nicht an mein Limit gebracht. Ein besonderer Gipfelsieg, der mir auch aufzeigt, dass manche Gipfel, die ich bislang für unerreichbar gehalten habe, vielleicht doch im Bereich des Möglichen liegen könnten. Aber das ist Zukunftsmusik. Nun genießen Xenia und ich unsere wohlverdiente Gipfelrast. Erste Reihe fußfrei vor dem mächtigen Großen Priel, den mit 2.515 Metern höchsten Gipfel des Toten Gebirges und der Spitzmauer – sie ist mit 2.446 Metern Seehöhe der zweithöchste Vertreter dieses imposanten Gebirges. Unzählige Dolen kreisen um den Gipfelbereich und schnappen sich jeden Krümel, der beim Verzehr der Jause „abfällt“. Zur Feier des Tages überrascht mich Xenia mit einem Gösser Naturradler. Weil sie wusste, dass das meine, sozusagen, Königstour 2024 ist, gab es Grund um am besten am Gipfel darauf anzustoßen. Das kommt mir durchaus gelegen, der Elektrolyt-Haushalt dankt es mir definitiv. Wer sich fragt, woher das Warscheneck seinen Namen hat: Warscheneck leitet sich vom althochdeutschen Wort „wähse“ ab und bedeutet „scharf“!

Nach 50-minütiger Gipfelrast müssen wir aber auch wieder an den Abstieg denken, denn der Weg ist noch weit und durch das felsige Terrain kommt man auch nicht so zügig wie auf anderen Bergen voran. Zuerst folgen wir dem Wanderweg 219 in nördlicher Richtung und biegen bei einer Weggabelung in den Osten ab. Mit Fortdauer wird der Abstiegsweg etwas steiler, hier sollte man durchaus konzentriert absteigen, denn an manchen Stellen ist es durchaus exponiert. Auf zirka 2.100 Metern flacht der Weg wieder etwas ab, wir verlassen den Wanderweg 219 (auch mit 201 angeschrieben), nun und steigen weglos auf den 2.137 Meter hohen Toten Mann auf. Von hier hat man nochmals einen herausragenden Blick auf das Warscheneck und den Südostgrat, im Norden ist der Hohe Nock klar zu erkennen. Spannend finde ich vor allem die Bedeutung des Gipfelnamens. Wikipedia weiß: Toter Mann stammt vom keltischen „Tota magos“ ab. „Tota/Teuto“ bedeutet Volk und „magos“ Feld und verweist somit auf einen Versammlungsplatz. In Österreich und Deutschland gibt es mehrere gleichnamige Flurnamen. Stets sind es breite, flache Höhenkuppen mit weitem Rundblick, die von vielen Seiten relativ leicht erreicht werden können. Sie liegen etwas entfernt von den Ortschaften im freien Gelände. Nach einer kurzen Rast wandern wir über einen  Grasrücken weiter nach unten und treffen wenig später wieder auf den eigentlichen Weg, der uns nach einigen steileren Höhenmetern im Abstieg zur nächsten Kreuzung bringt. Von hier könnte man noch auf die Rote Wand, doch wir gehen lieber auf Nummer sicher – wollen wir doch noch mit der Bahn nach unten fahren. Von besagter Kreuzung erreicht man über den Weg 293 auch die Dümlerhütte.

Weiter geht es über einen gut angelegten Wanderweg, auf welchem wir recht rasch an Höhe verlieren und kurz nach 15 Uhr beim idyllisch gelegenen Brunnsteinersee ankommen. Die leuchtende Rote Wand spiegelt sich malerisch auf seiner vollkommen glatten Oberfläche. Kurz bleiben wir stehen und genießen diesen Anblick. Schnellen Schrittes bringen wir die letzten Meter bis zur Bergstation der Standseilbahn hinter uns, mit der 16-Uhr Gondel geht es für Xenia und mich wieder talwärts. 

Mit im Gepäck sind traumhafte Eindrücke einer besonderen Tour, auf welcher mir wieder mehrere Dinge klar wurden: so sehr ich auch das „liebliche“ Wandern auf Kämmen wie der Saualpe oder der Koralm mag, so sehr reizt mich auch der nackte Fels und die Herausforderungen, die er mit sich bringt. Und, was noch viel wichtiger ist: wenn man bei so einer Tour jemanden an der Seite hat, den man quasi blind vertraut, dann ist das schon die halbe Miete. An etwas „spannenderen“ Stellen wich Xenia nicht von meiner Seite. Mir kam am Ende auch vor, sie hatte mindestens so viel Freude mit meinem Gipfelsieg, wie ich selbst.

Somit ist DIE Tour 2024 „in the books“ und was für ein Tag das doch war. Gut möglich, dass ich diesen Gipfel in den kommenden Jahren wieder einmal besuche, dann aber „entschärft“ mit dem Sessellift bis zum Frauenkar. Wer sich in felsigem Gelände wohlfühlt und gerne auch mal seine Hände zur Hilfe nimmt, der ist auf diesem Grat genau richtig. So richtig ausgesetzt ist es nie, da man sich immer irgendwie „im“ Fels befindet. Wer ein gewisses Maß an Erfahrung, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit mitbringt, dem steht bei schönem Wetter einem absolut grandiosen Bergtag nichts im Weg.

Infobox
Start - Ziel:Bergstation Wurzeralm Standseilbahn
Höhenmeter:1125
Distanz (km):13
Gehzeit (exkl. Pausen):5-7h
GPX-File Download:Link

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