2.475m | Wölzer Tauern, Steiermark
Nebelig, rutschig und beeindruckend:
Rettlkirchspitze deluxe!
Bereits im August stattete ich dem wunderschönen Eselsberggraben und der Bergwelt, die den Talschluss umgibt, einen Besuch ab. Damals war das Ziel die Oberwölzer Schoberspitze, heute ist der Rettlkirchspitz das Objekt der Begierde. Schon seit einer gefühlten Ewigkeit wollte ich diese Tour in Angriff nehmen, Mitte Oktober wurde das Vorhaben in die Tat umgesetzt.
Es ist Herbst – man merkt es an vielen Dingen: die Vegetation passt sich der Jahreszeit an, Nebel liegt in den Tälern und auf den Bergen strahlt die Sonne. Zumindest ist für den dritten Sonntag im Oktober ein gutes Bergwetter angesagt. Die Tage zuvor gab es Niederschlag, 100%-ig trocken dürfte der Weg auf den Keinhart – so wird die Rettlkirchspitze auch genannt – nicht sein. Nach einer einstündigen Anfahrt starten Jacky und ich um kurz nach acht Uhr beim Parkplatz bei der Hölzlerhütte. Nur eine Handvoll Autos hat sich in den Eselsberggraben verirrt – somit steht uns eine wohl einsame Tour bevor.
Wir queren den Eselsbergbach und wandern am Wanderweg 909 in westlicher Richtung zum Talschluss, welchen der markante Hochstubofen bildet. Diesen Gipfel besuchten Jacky, Anna und ich im Juli 2022. Damals begleitete uns bis zum auf 2.385 Meter hoch gelegenen Gipfelkreuz dichte Bewölkung – das wird heute ja wohl anders sein? Nun ja: wir kommen nach gut 20 Minuten bei der Abzweigung in Richtung Rettlkirchspitz an – dichter Nebel, aber zumindest windstill. Die Luft ist so feucht, dass sich an Jackys Haaren und an meinem Bart die Wassertropfen sammeln. Eine eigene, sehr mystische Stimmung, die, weil wir auch vollkommen allein unterwegs sind, auch etwas für sich hat.
Von nun an folgen wir dem Wanderweg 928, welcher uns über rutschiges Gestein, phasenweise schmale Pfade und die eine oder andere Geländekante in Richtung Funkelböden führt. Man merkt, dass es hier schon beträchtlichen Niederschlag in Form von Schnee gab. Die Vegetation wirkt plattgedrückt und bedeckt weitestgehend den Weg, durch die Markierungen ist es aber kein Problem zu den Funkelböden zu gelangen. Kurz bevor wir dort ankommen kämpft die Sonne mit den Wolken, es wird hell, so richtig gelb, ab und an zeigt sich ganz kurz auch der tiefblaue Himmel. Auch der Hochstubofen zeigt sich für wenige Sekunden – eine sehr besondere Stimmung, denn nur wenige Augenblicke später ist wieder alles zu, kurz darauf beginnt das Schauspiel von Neuem. Über die Funkelböden, die sich auf über 2.000 Metern Seehöhe befinden, begleitet uns sogar Sonnenschein, nun macht sich aber der Wind bemerkbar und wird von nun an zu einem steten Begleiter bis zum Gipfel. Den rot-weiß-roten Farbtupfen folgend dreht der Weg auf in etwa 2.050 Metern in Richtung Westen und wird nun etwas steiler. Nach knapp 200 Höhenmetern beginnt die Querung des Rettlkirchspitz-Vorgipfels. Da es recht feucht und nebelig ist, müssen wir durchaus aufpassen. Das Gelände fällt hier doch recht steil ab – ein Sturz wäre fatal.
Unversehrt erreichen wir nach knapp 2,5 Stunden die Funkelscharte (2.250m) verlassen den Wanderweg 928 und biegen rechts ab. Der 928er würde in südlicher Richtung über das Straßeck zum Greim führen. Bis zum Gipfelsieg auf dem Rettlkirchspitz fehlen uns noch 225 Höhenmeter und noch immer schmiegt sich dichter Nebel an die steiler werdenden Berghänge der Wölzer Tauern. Behutsam steigen wir Meter für Meter empor, auch die eine oder andere heiklere Stelle schaffen wird mit Konzentration. Wäre der Weg aufgetrocknet und die Wetterlage eine andere, wäre es Genusswandern par excellence – so müssen wir wirklich Schritt für Schritt mit Bedacht setzen.
Gut 3,5 Stunden nach unserem Abmarsch beim Parkplatz erreichen wir endlich ein lang ersehntes Gipfelziel – Rettlkirchspitz (2.475m), nun steh ich endlich bei deinem Gipfelkreuz, doch die Aussicht hält sich in Grenzen, um es nett auszudrücken. Selbst auf knapp 2.500 Metern Seehöhe gibt es nichts außer weiß, weiß und nochmal weiß. Nur kurz zeigt sich ab und an der Himmel und selten aber doch gibt es im Norden und Nordwesten einige Gipfel zu erkennen. Doch mit Fortdauer unserer längeren Rast wird das Wetter besser. Wir beratschlagen, wie wir nun weitergehen wollen: unseren Aufstiegsweg wieder retour oder nordwärts zur Rocklscharte und von dort absteigen – diesen Weg ab der Rocklscharte kennen wir ja schon von unserer Wanderung auf den Hochstubofen.
Ich überlasse Jacky die Entscheidung, um kurz vor halb eins geht es dann auf den Rocklgrat, ein Kamm, der weitestgehend mit Blockgestein übersät ist. Stellenweise aufgetrocknet, dann doch wieder nass – wir kommen nur sehr langsam voran. Zwischendurch genießen wir auch die nun bessere Wetterlage und können im Westen den Schöderer Eisenhut ausmachen – eine DER Traumtouren in meiner „erweiterten Heimat“. Bei trockenen Verhältnissen dürfte man wohl nicht länger als eine knappe Stunde brauchen – heute ist das definitiv anders, denn erst knapp zwei Stunden nach unserem Abmarsch am Rettlkirchspitz kommen wir in der auf in etwa 2.240 Metern gelegenen Rocklscharte an. Für Jacky ist es definitiv kein Genuss, denn sie quält sich aufgrund des oft nicht ganz einschätzbaren Untergrundes über den Grat, wir kommen aber um zirka halb 3 Uhr nachmittags in der Scharte an, biegen dann auch gleich in nordöstlicher Richtung ab und folgen dem Wanderweg 926B weiter nach unten. Die ersten Höhenmeter sind steil, es ist sehr rutschig und so geht es auch hier nur langsam voran. Nach zirka 100 Höhenmetern queren wir ein Schneefeld, ehe es in etwas angenehmeren Terrain weiter nach unten geht. Wir kommen zur Weggabelung, wo sich unser weiterer Abstiegsweg und der Pfad in Richtung Haseneckscharte trennen. Die Scharte bildet einen natürlichen Übergang ins Sölktal – die Erzherzog-Johann-Hütte ist in etwa 90 Minuten zu erreichen.
Wir halten uns von nun an ostwärts und steigen den Wanderweg 926 bis in den Talschuss ab. Wenig später kommen wir zur Kreuzung, wo wir am Vormittag zur Rettlkirchspitze abgebogen sind. Hier schließt sich nun also der Kreis einer durchaus besonderen Tour, die uns beiden wohl sehr lange in Erinnerung bleiben wird. Mystische Stimmung, vollkommene Einsamkeit auf der gesamten Tour, aber auch durchaus fordernde Verhältnisse, welche die Tour zu diesem markanten Aussichtsberg in den Wölzer Tauern zu keiner echten Genusstour machten. Für mich ist klar: ich werde diese Tour nochmals bei Schönwetter in Angriff nehmen, vor allem weil die Aussicht herrlich sein muss. Was bleibt ist aber ein spannendes Erlebnis und die Erkenntnis, das auch der schönste Berg bei widrigen Verhältnissen seine Zähne zeigen kann.
Infobox | |
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Start - Ziel: | Parkplatz Hölzlerhütte |
Höhenmeter: | 1000 |
Distanz (km): | 12 |
Gehzeit (exkl. Pausen): | 4-6h |
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