2.417m | Seckauer Tauern, Steiermark
Steil & geil: Top of Seckauer
Das Geierhaupt – der zweithöchste Gipfel des Murtals und die höchste Erhebung der Seckauer Tauern. Kein Berg blieb so lange auf meiner Liste (und unbesucht), als wie der 2.417 Meter hohe, aus Gneis bestehende Aussichtspunkt. Eine Tour zum „Top of Seckauer Tauern“ bedeutet vor allem eins: steil. Aber die Mühe lohnt sich, zu 100%.
Wir sind Mitte Juni angekommen, Fronleichnam steht vor der Tür, Jacky und ich sind gerade von einem Konzerttrip nach Hannover zurückgekommen. Die nächsten Tage bin ich alleine, da Jacky sich ins Ausland „verzieht“, somit muss ich mich selbst beschäftigen. Genau dann kommen mir immer Touren in den Sinn, die ich für mich unbedingt mal erleben will. Auch weil Jackys und meine Vorlieben am Berg unterschiedlich sind, müssen manche Touren deswegen etwas länger warten. Nun ists aber wohl endlich soweit, nach vielen Jahren des „Wartens“ soll es aufs Geierhaupt gehen. Warum es so lange auf meiner Wunschliste blieb? Ich kann es nicht beantworten: oft ins Auge gefasst, dann hat das Wetter wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht, dann kam eine andere Tour dazwischen – wie es eben so läuft. Doch nun, am Feiertag geht es wirklich auf einen von nur drei Murtaler Gipfeln, die über die 2.400-Meter-Marke ragen.
Aufgrund der Wettervorhersage ist eines klar: ich will früh los. Das Parken am Ingeringsee ist zwischen Juni und August ab 6 Uhr gestattet – pünktlich wie ich bin, marschiere ich bereits um fünf nach 6 Uhr morgens los. Nach wenigen Metern bereits der erste Halt, denn der idyllisch gelegene Ingeringsee ist einfach ein traumhaft schönes Fotomotiv. So früh am Morgen ist es noch ein Stück weit „schöner“. Die Wasseroberfläche ist spiegelglatt, ein paar Vöglein zwitschern und die Klementikapelle am rechten Seeufer rundet das Gesamtbild ab. Hier könnte man ewig sitzen und die Umgebung auf sich wirken lassen – doch nicht heute, denn ich hab noch viel vor. Deswegen geht es schnellen Schrittes an der Kapelle vorbei und der Forststraße folgend weiter. Keine 100 Höhenmeter sind abgespult, dann führt ein Hinweisschild in den Wald. Der Weg 39, ein als „alpiner Weg“ gekennzeichneter Pfad, führt von hier über den Saurückensteig aufs Geierhaupt. Vom See, wo der erste Wegweiser positioniert ist, sind 3,5 Stunden für den Aufstieg angeschrieben.
Nun geht es etwas steiler weiter, noch zwei Mal quere ich die Forststraße, dann folge ich dem Dürtalbach weiter nach oben. Hier gab es einen riesigen Windwurf, ein erkennbares Steiglein führt durch die mit Ästen und Baumstumpfen übersäte Landschaft. Auf zirka 1.600 Metern Seehöhe endet die Forststraße und hier spaziert man auch an der Hölltalhütte vorbei. In nördlicher Richtung soll der Hölltalsteig tief ins gleichnamige Tal führen. Kurz nach der Hütte steil der Weg an, aber so richtig. Über einen Wiesenhang gewinne ich rasch an Höhe und kann auf meiner Uhr sehr gut beobachten, wie die gesammelten Höhenmeter rapide ansteigen. Ja, der Saurückensteig hat seinen Namen wohl nicht zu Unrecht. Mir fällt auch oft ein Spruch aus der Geschichte des Radsports ein. 1997, bei der 18. Etappe der Tour de France, feuerte Udo Bölts den damaligen Tour-Leader Jan Ullrich mit dem legendären Spruch „Quäl dich, du Sau“ an. Unvergesslich – mir kommt es heute mehrmals in den Sinn. Ganz nach dem Motto: „Martin, quäl dich, du Sau“.
1,5 Stunden bin ich unterwegs, als die Vegetation etwas lichter wird, ich erreiche die Baumgrenze und immer mehr Gipfel kommen zum Vorschein. Landschaftlich äußerst reizvoll führt der Weg ständig in Richtung Nordwesten, in weiterer Folge flacht er sogar „etwas“ ab. Ich kann mich etwas erholen, habe dabei aber das nächste Etappenziel, einen von der Ferne gut erkennbar Steinhaufen unterhalb des Höllkogels, schon fest im Blick. Über kleinere Geländekuppen, bei welchen man ab und an seine Hände zur Hilfe nehmen muss, geht es bergwärts. Nie exponiert, immer von der herausragenden Landschaft der Seckauer Tauern umgeben. Stellenweise geht es über kleinere Felder aus Blockgestein, die sind aber kein Hindernis und nach fast exakt 2,5 Stunden stehe ich beim vorhin erwähnten Steinhaufen und darf einen ersten Blick auf das grimmig anmutende Geierhaupt werfen. Ein massiver Berg aus Gneis, dessen zackiger Kamm weiter zum Grieskogel führt. Den will ich auch besuchen, aber nicht heute, denn alleine will ich über den mit T4 markierten Weg nicht rüber.
Nun steht also der finale Gipfelsturm an, keine 150 Höhenmeter sind es von hier. Ich folge dem markierten Weg durch steiniger werdendes Gelände, bleibe aber immer wieder Mal kurz stehen, um Blicke in meine heimatliche Bergwelt zu werfen. Vor allem aus einer völlig neuen Perspektive. Drei Stunden (2h50min reine Gehzeit) nach meinem Abmarsch am Ingeringsee stehe ich nun also endlich am Geierhaupt und bin überglücklich. Ich bin alleine und genieße die Augenblicke völliger Ruhe, umgeben von meinen geliebten Bergen, sehr. Egal wo ich hinblicke, überall erkenne ich Gipfel, die ich schon besuchen durfte: Kerschkern, Himmeleck, Kalbling & Sparafeld, Zeiritzkampel, Pletzen, Gamskögel, Griesstein, Bösenstein oder auch der Hochreichart, der nur einem Meter niedriger ist – sie alle präsentieren sich bei fast wolkenlosem Himmel. Nach ein paar Drohnenaufnahmen ist es nun Zeit für ein ordentliches Gipfelfrühstück. Als ich mir meine mitgebrachte Jause schmecken lassen, trifft Tanja am Gipfel ein. Sie ist fast zeitgleich mit mir am Parkplatz wegmarschiert. Wie sie mir mitteilt, ist es für sie die allererste Bekanntschaft mit den Seckauer Alpen. Dazu gleich „Top of Seckauer“ – was will man mehr. Am Gipfel weht ein durchaus kühler Wind, deswegen entscheidet sie sich, etwas abzusteigen. Somit habe ich noch ein paar Minuten, nur für mich.
Doch irgendwann muss man ja auch wieder absteigen. Doch wie? Über den Schrimpfkogel, das Krügltörl, vorbei am Hahnenkamm und dem Hahnsee und dann raus zum Ingeringsee? Oder doch den gleichen Weg zurück? So sehr ein Weitermarsch reizt, ich entscheide mich dann doch auf den Abstieg auf der Aufstiegsvariante, wenn auch mit einer kleinen Abänderung. Kurz vor dem oben erwähnten Steinmann biege ich weglos auf den 2.323 Meter hohen Höllkogel ab. Dort steht zwar kein Gipfelkreuz, den 18. höchsten Gipfel des Murtals ziert aber dennoch eine Markierung aus Steinen. Dahinter thront das Geierhaupt, ein wirklich schönes Fotomotiv. Ebenso weglos wie der Aufstieg vom Höllkogel ist auch der Abstieg, aber diesen habe ich mit Konzentration schnell hinter mich gebracht. Nun erspähe ich auch andere Wanderer, die heute den Weg aufs Geierhaupt finden. Die Temperaturen sind nun schon spürbar wärmer, was den Aufstieg über den Saurücken nicht gerade einfacher macht. Insgesamt zwölf Wanderer kommen mir im Abstieg entgegen. Begleitet von Tiefblicken zum Ingeringsee geht es schnellen Schrittes bergab, um zwölf Uhr mittags erreiche ich das Seeufer und leere meine Trinkflasche bei diesem wirklich traumhaften Anblick.
Nun ist es also endlich bestiegen, das Geierhaupt. So sehr ich es genieße, mit Familie und Freunden auf die Berge zu gehen, so sehr schätze ich sie, die einsamen Touren, wo ich nur für mich bin. Die unschwierige, aber steile Wanderung auf das Geierhaupt hat mir wieder Mal eins vor Augen geführt: es gibt wenige, so schöne Orte, wie hier bei uns im Murtal.
Infobox | |
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Start - Ziel: | P5 Ingeringsee |
Höhenmeter: | 1250 |
Distanz (km): | 12,3 |
Gehzeit (exkl. Pausen): | 4-6h |
GPX-File Download: | Link |
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